Zur Situation von Studierenden mit psychischen Beeinträchtigungen


GEGEN LEISTUNGS- UND KONKURRENZDRUCK!

GEGEN EINE ÖKONOMISIERUNG DER BILDUNG!

Zur Situation von Studierenden mit psychischen Beeinträchtigungen

„Mit insgesamt 30% bilden psychische Erkrankungen die größte Gruppe der studienerschwerenden Beeinträchtigungen.“1 Auf Rang eins der Krankheiten rangiert dabei die Depression, gefolgt von Angststörungen. Viele leiden außerdem an Burn-Outs, Panikattacken, Prüfungsangst, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlaf- oder Magenstörungen – hiervon sind sowohl Studierende als auch Berufstätige betroffen, denn der Neoliberalismus betrifft uns alle!

Zu den Gründen

Vor allem Burn-Outs treten häufig bei Personen auf, die neben dem Studium erwerbstätig sind und/oder perfektionistisch oder ehrgeizig veranlagt sind. Der Konkurrenz- und Leistungsdruck der Gesellschaft führen zu Existenz-, Versagens- und Zukunftsängsten und Verzerrungen des Selbstbilds. Das Studium wird zur Gratwanderung zwischen relativer Selbstbestimmung und dem Zurechtfinden in einer Uni- und Arbeitswelt die sich zunehmend entlang ökonomischer Verwertbarkeit ausrichtet. Strukturellen Problemen wird dabei meist mit individuellen Problemlösungen geantwortet. Besseres Zeitmanagement und Tipps für eine gute Work-Life-Balance zielen auf eine perfekte Zurichtung des Individuums ab, anstatt die unzumutbaren Zustände selbst anzugreifen.

Zur neoliberalen Idee gehört die Verschulung der Universität, welche dazu führen soll, möglichst rasch und konform für die vermeintlichen Bedürfnisse des Arbeitsmarkts auszubilden. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudien sorgt zudem dafür, dass viele in Eile und ohne Notwendigkeit ihre auslaufenden Diplomstudien beenden müssen. Eilig haben es auch jene, die aufgrund von Nebenjobs, psychischer oder körperlicher Belastung ihr Studium nicht in Mindeststudienzeit abschließen können. Schnell soll die Kurve gekratzt werden, bevor Studiengebühren bezahlt werden müssen oder die Familienbeihilfe und Vergünstigungen für Studierende wegfallen.

Wir fordern eine Verlängerung der Mindest- und Regelstudienzeit sowie der Bezugsdauer für Familienbeihilfe! Studiengebühren gehören ausnahmslos abgeschafft!

Die Studienpläne sind teils komplett überladen – bis zu fünfzehn Prüfungen im Semester sind keine Seltenheit. Prüfungen an anderen Bildungseinrichtungen oder im Selbststudium absolvierte Leistungen werden nur unzureichend anerkannt. Ein weiterer Punkt, welcher für Druck und Stress sorgt, ist die Umstellung auf das ECTS-System. Der ideelle Wert von Bildung weicht dem mess- und zählbaren Leistungsprinzip 2 Wie kleine Pac-Man Figuren jagen viele Studierende von ECTS zu ECTS um das nächste Semester zu erreichen. Nicht mehr die Möglichkeiten zu individuellem Denken und einer Entwicklung von Interesse an Inhalten werden gefördert – nein, sie werden zugunsten der Logik der Verwertbarkeit des Wissens am Markt abgeschafft!

Wir fordern die Abschaffung des ECTS-Systems und der Verschulung der Studiengänge! Für selbstbestimmtes Leben und Lernen!

„Survival of the fittest“ heißt es sowohl in der Mehrheitsgesellschaft als auch an den Universitäten: Knock-Out-Phasen wie die STEOP, bei deren Nichtbestehen eine Sperre fürs Studium droht; beschränkte Plätze in Pflichtlehrveranstaltungen; der Konkurrenzkampf zwischen Studierenden, sowie Voraussetzungsketten stellen große Stressfaktoren dar. Nur die Besten, die Schnellsten, die Angepasstesten kommen rasch und gut durch. Unsicherheit und Selbstzweifel bestimmen somit schnell den Alltag. Alle Lehrveranstaltungen sollen auf Anhieb bestanden werden, eine Umorientierung oder gar Studienwechsel zum bürokratischen Husarenritt, der oft mit einem Wegfall der Behihilfen endet. Dies bedeutet auch, dass es nicht zu einer längerfristigen Anhäufung von Wissen, sondern zu unregelmäßigem, überforderndem und somit Stress auslösendem Binge-Learning kommt.

Wir fordern ein Lehrveranstaltungsangebot, welches den Studierendenzahlen und -bedürfnissen gerecht wird! Schluss mit Knock-Out-Prüfungen, strikter Anwesenheitspflicht und Voraussetzungsketten!

Obwohl Stress, Konkurrenz- und Leistungsdruck zu psychischen Beeinträchtigungen, Störungen und Krankheiten beitragen können bzw. – wie im Falle des Burn-Outs – diese erst hervorbringen, werden selbstverständlich nicht alle betroffenen Personen erst an der Universität krank – viele sind es bereits davor. Sowohl ihnen als auch den erst an der Hochschule erkrankten Studierenden gilt es, den akademischen Alltag und die universitären Rahmenbedingungen bewältigbar zu machen. Trotzdem ergeben sich aufgrund dieser bei Studierenden mit psychischen Erkrankungen Probleme bei der Organisation des Studiums, Verluste von sozialem(n) Kontakt(en), Abbrüche von Lehrveranstaltung(en), kurzzeitige Abbrüche des Studiums und der Verlust von Förderungen.3 Zwar können Studierende mit psychischen Erkrankungen z.B. für eine längere Dauer als ihre Kommiliton_innen Familienbeihilfe beziehen, allerdings ist diese Dauer keine lange und die wenigsten von ihnen wissen über diese Möglichkeit Bescheid. Auch, dass alternative Prüfungsmethoden bei Prüfungsangst gewählt werden können, ist vielen nicht bekannt.

Für die konsequente Implementierung alternativen Prüfungsmodalitäten!

Mangelhafte Versorgung bei Beratungsleistungen

Während laut Studierenden-Sozialerhebung immerhin 66% der Studierenden mit psychischen Beeinträchtigungen geläufig ist, dass psychologische Student_innenberatungen existieren, ist nur 11% von ihnen bekannt, dass die meisten österreichischen Hochschulen über Behindertenbeauftragte verfügen.4

Die Aufgabe dieser wäre nicht nur, die Versorgung von psychisch beeinträchtigten Studierende mit Hilfestellungen, Beratungen und Kontakten sicherzustellen. Sie sollten auch gegen die innerhalb der Gesellschaft und auch der Hochschulen omnipräsenten Stigmatisierung vorgehen. Statt der 650-Jahre Image-Politur der Uni Wien, wäre z.B. eine Awareness-Kampagne angebracht, um Studierenden die Angst vor dem Besuch der Beratungseinrichtungen zu nehmen. Etlichen der Student_innen ist es außerdem mangels finanzieller Mittel nicht möglich eine psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen. Selbst, wenn Studierende sowie Berufstätige psychologische Behandlung in diversen Einrichtungen in Anspruch nehmen können, ist das Ziel oftmals nicht die Bekämpfung der Rahmenbedingungen und Gründe, die zu einer psychischen Beeinträchtigung geführt haben – es werden stattdessen oberflächliche Änderungen vorgenommen um Menschen aufzupäppeln um sie wieder am Arbeits- oder Wissensmarkt verwertbar machen zu können.

Wir fordern Gratisangebote für psychologische Beratung und Behandlung für Alle!

Für finanzielle Unterstützung für Studierende mit psychischen Beeinträchtigungen!

Für einen Ausbau der psychologischen Studierendenberatung! Nicht fit für den Arbeitsmarkt, sondern an der Wurzel ansetzen!

Schluss mit der Stigmatisierung! Her mit dem schönen Leben!

INFO: Die Österreichische Hochschüler_innenschaft (ÖH) hat eine Beratungsstelle, die ÖH Helpline (01/585 33 33) sowie einen Fördertopf geschaffen. Mit Hilfe dieser Einrichtungen kann an psychologische Betreuung weiterverwiesen und die ersten 10 Therapiestunden finanziell gedeckt werden.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, kostenlos die Psychologische Student_innenberatung aufzusuchen (http://www.studentenberatung.at/), welche vom Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft eingerichtet wurde.

1http://www.equi.at/dateien/IHS_Studierende_mit_Behinder.pdf (Stand: 05.03.2015)

2Gruber, Dominik / Rodinger, Barbara / Spitzer, Florian / Soucek, Stefan: Studieren mit psychischer Erkrankung. Eine Studie zur Siutation von Betroffenen an der Universität Salzburg, pro mente edition, Linz, 2015

3Ebd.

4http://www.equi.at/dateien/IHS_Studierende_mit_Behinder.pdf (Stand: 05.03.2015)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert